Startschuss zur Säuberung

Vor 75 Jahren beschloss die Führung der Kommunistischen Internationale die „Zerschlagung des Trotzkismus“

 

Im November und Dezember 1926 tagte das VII. erweiterte Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI). Diese Tagung war der Startschuss zur Säuberung der Kommunistischen Parteien von linken Kritikern des Stalinkurses.

Seit April des 1926 hatte sich innerhalb der KPdSU eine vereinigte Opposition aus der alten Linksopposition um Trotzki und der Strömung um Sinowjew und Kamenew herausgebildet.

Die Opposition beklagte eine Bürokratisierung des Arbeiterstaates und forderte die Rückkehr zur Sowjetdemokratie. Während Stalin die unmarxistische These von der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Land verkündete und im Bunde mit Bucharin diesen „im Schneckentempo“ durchführen wollte, um das Bündnis mit der Bauernschaft nicht zu gefährden, forderte die Opposition eine Abkehr vom Unterstützungskurs der Kulaken sowie eine schnelle und planmäßige Industrialisierung des Landes. Die Rückständigkeit Russlands, dessen Einbindung in die Weltwirtschaft und die imperialistische Umkreisung würden einen isolierten Aufbau des Sozialismus nicht zulassen, warnte die Opposition.

 

Wo die Opposition auf die unabhängige revolutionäre Aktion der Arbeiterklasse zur Ausweitung der Revolution in anderen Ländern setzte, suchte die Sowjetführung das Bündnis mit „linken“ Gewerkschaftsbürokraten und kleinbürgerlichen Nationalisten zur Absicherung der Sowjetunion. So wurde im März 1926 die chinesische Kuomintang mit nur einer Gegenstimme - derjenigen Trotzkis – in die Komintern aufgenommen. Die englische Kommunistische Partei wiederum musste ihre Politik einem Anglo-Russischen-Gewerkschaftskomitee mit linken Labour-Vertretern unterordnen.

 

Als sich die Opposition im Sommer 1926 an die Parteibasis wandte, stieß dies auf den Widerstand der Führungsorgane der KPdSU. Am 23. Juli wurde Sinowjew aus dem Politbüro ausgeschlossen und Kamenew seines Postens als Volkskommissar für den Binnenhandel enthoben. Auf die Drohung sofortiger Parteiausschlüsse reagierten die Führer der Opposition Mitte Oktober mit einer Erklärung, in der sie sich selber des Disziplinbruches bezichtigten und versprachen, fortan die Führungsgremien der Partei als Forum der politischen Auseinandersetzung anzuerkennen. Indem sich die Opposition selbst den legalen Weg zur Mobilisierung der Parteibasis versperrte, hatte sie sich zugleich ihres einzigen realen Machtfaktors beraubt und wurde vom Wohlwollen der Parteibürokratie abhängig.

 

Auf der XV.Parteikonferenz im Oktober 1926 griff Stalin die Opposition erneut als „sozialdemokratische Abweichung“ scharf an. Nach tumultartigen Szenen entzog das ZK Trotzki seinen Sitz im Politbüro und Sinowjew wurde untersagt, die KPdSU innerhalb der Komintern zu vertreten.

 

Auf dem VII. Plenum des EKKI vom 22. 11. bis 17. 12. 1926 hofften die Führer der Opposition, sich vor den Vertretern der Bruderparteien rechtfertigen zu können.

 

Zu Beginn der Tagung verlas Ernst Thälmann eine Erklärung Georgi Sinowjews, in der dieser einem Beschluss des ZK der KPdSU folgend darum bat, „von den Obliegenheiten des Vorsitzenden des EKKI sowie im gegebenen Moment von der Arbeit in der Komintern überhaupt“ entbunden zu werden. Seine Ablösung wurde von den 191 Delegierten, von denen 100 stimmberechtigt waren, ohne Diskussion akzeptiert und Nikolai Bucharin zu seinem Nachfolger bestimmt. Nach dem nächsten Weltkongress sollte das Amt des EKKI-Vorsitzenden durch ein Politisches Sekretariat ersetzt werden.

 

Am 7. Dezember hielt Stalin ein dreistündiges Referat über die Lage innerhalb der KPdSU, in der er die Opposition erneut heftig attackierte. Dabei machte er auch vor persönlichen Angriffe auf Trotzki nicht halt, dem er seine Differenzen mit Lenin vor 1917 vorwarf.

 

Während Sinowjew in seiner weitgehend aus Zitaten bestehenden Rede nachwies, dass Marx, Lenin und selbst Stalin bis 1924 noch zwar vom Sieg der sozialistischen Revolution in einem Land ausgingen, nicht jedoch von der Möglichkeit, isoliert den Sozialismus zu vollenden, ging Trotzki auf den Vorwurf des „Trotzkismus“ ein: „Die Theorie des Trotzkismus wird künstlich fabriziert – gegen meine Absichten, gegen meine Überzeugungen und wirkliche Auffassungen.“ Seine Differenzen mit Lenin habe er bei Eintritt in die Bolschewiki hinter sich gelassen. „Wir waren in unserem Kampfe gegen ihn immer im Unrecht, wenn es sich um wichtigere prinzipielle Fragen handelte“, bekannte er. Tatsächlich wirkte Trotzki, der „unbegrenzte Redezeit“ für sich gefordert hatte, schwach und defensiv. In der knappen Stunde Redezeit, die ihm gewährt wurde, gelang es ihm nicht, umfassend die Differenzen mit der Führung der KPdSU darzulegen.

 

Mit nur einer Enthaltung nahm die Konferenz am vorletzten Tag des Plenums eine Resolution an, in der die Verurteilung der Opposition durch die XV. Parteikonferenz der KPdSU bekräftigt wurde und die Opposition als „im Wesen rechte, manchmal von linken Phrasen verdeckte Gefahr in der Partei“ bezeichnet wurde. Alle Sektionen der Komintern wurden zu einem „entschlossenen Kampf“ verpflichtet, „gegen alle Versuche der Opposition in der KPdSU und ihrer Anhänger in den anderen kommunistischen Parteien, die ideologische und organisatorische Einheit der Komintern zu zerstören“.

 

Die Vereinigte Opposition hatte eine entscheidende Niederlage erlitten. Sie war an dem objektiven Widerspruch gescheitert, selber Bestandteil der Bürokratie zu sein und somit den Kampf für eine antibürokratische revolutionäre Alternative ohne Massenunterstützung eben im Rahmen dieser Parteibürokratie zu führen.

 

Nick Brauns