Buchbesprechung:
„Zwischen
Ölzweig und Kalaschnikow“ -
zur Geschichte
der palästinensischen Linken
Seit dem Abkommen von Oslo und der Einrichtung der
palästinensischen Autonomiebehörde ist es still geworden um die
palästinensische Linke. Allenfalls die islamistischen Gruppen Hamas und
Islamischer Heiliger Krieg machten durch Attentate gegen den Friedensprozeß von
sich reden. Gerade für die westdeutsche radikale Linke waren die
palästinensischen Fidayin-Guerillas in den 70er und 80er Jahren Bezugspunkt der
eigenen Guerillaromantik. Die schwarzweiße Kuffiya – das „Arafat-Tuch“ –
gehörte zur Uniform jedes Westberliner oder Frankfurter Straßenkämpfers.
Der Journalist Gerrit Hoekmann lebte selber zwei
Jahre im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmuk. Seine „Geschichte und
Politk der palästinensischen Linken“ lebt von der persönlichen Verbundenheit
des Autors mit Palästina, sie gewinnt aber auch durch die rückblickende
distanzierte Betrachtungsweise. Scharf kritisiert Hoekmann das Dilemma im
antizionistischen Selbstverständnis der westdeutschen Linken: „Israel ist
nämlich nicht nur der Staat, mit dessen Gründung die Vertreibung von rund
800.000 PalästinenserInnen einherging. Israel ist auch Zufluchtsort für viele
der wenigen Überlebenden der Shoa, dem vom Nazi-Faschismus an den Juden und
Jüdinnen begangenen Massenmord, und der israelische Staat wird von vielen
jüdischen Menschen, die immer noch weltweit von Antisemitismus und Pogromen
bedroht werden, bis heute als solcher empfunden.“ Im Gegensatz zu „Anti-Nationalen“
wie der Hamburger Gruppe „Demontage“ folgt bei Hoekmann aus dieser Analyse
keine Verdammung des palästinensischen Widerstandes als „antisemitisch“,
sondern eine differenzierte Herangehensweise.
Ein erster Blick auf die verwirrende Vielfalt der
palästinensischen Splittergruppen, Parteien und Guerillaorganisationen erinnert
an Monty Pythons „Leben des Brian“ mit dem Streit zwischen der „Judäischen
Volksfront“ und der „Volksfront von Judäa“. Hoekmann zeigt auf, daß es sich
nicht um sektiererische Zersplitterung handelt, sondern die programmatischen
Differenzen sich aus der Sozialstruktur der Mitglieder und Unterstützer
ergeben. Die Ablehnung des Osloer Abkommens durch die marxistisch-leninistische
Volksfront PFLP leitet sich aus deren starker Basis in den Flüchtlingslagern in
Gaza, Syrien und Libanon ab. Die Flüchtlinge haben nichts von einem
Autonomieabkommen. Wenn die PFLP auf ihre Maximalforderung der Befreiung
Palästinas verzichtet, würde sie diese Unterstützer verlieren. Arafats
al-Fatah, die den Mainstream innerhalb der Palästinensischen Befreiungsfront
PLO bildete, repräsentierte die palästinensische Exilbourgeoisie und
kleinbürgerliche Kreise, die heute innerhalb der korrupten Autonomiebehörden
ihr Auskommen gefunden haben und aus wirtschaftlichem Interesse an einem
Ausgleich mit Israel interessiert sind.
Bei den Linken unterscheidet Hoekmann zwischen
Marxisten – neben der PFLP und DFLP vor allem die Palästinensischen
Kommunistischen Partei und heute Palästinensischen Volkspartei - , arabischen
Sozialisten, die an der Ba`ath Ideologie Syriens und Iraks orientiert sind und
Anhängern der „Dritten Universaltheorie“ von Lybiens Revolutionsführer Mu´ammar
al-Gaddafi. Dazu kommen Anhänger des Panarabismus, wie er vom ehemaligen
ägyptischen Staatschef Gamal Abdel Nasser verkündet wurde. Gegner dieser Linken
sind Arafats bürgerliche Nationalisten der al-Fatah sowie die islamischen
Gruppen.
Ein
eigenes Kapitel beschäftigt sich mit der Situation der Frauen in der
palästinensischen Linken. Symbolfiguren wie die ehemalige Luftpiratin und
heutige PFLP-Frauenverantwortliche Laila Khalid sind die Ausnahme. Die Arbeit
unter den Frauen in den traditionell geprägten Organisationen verlief nach dem
Motto „erst Palästinenserin, dann Arbeiterin, zuletzt Frau.“ Durch die zeitweilige
Zusammenarbeit mit der islamischen Hamas während der Intifada und gegen das
Osloer Abkommen büßten die marxistischen Kräfte zudem an Ansehen unter Frauen
ein. Hamas Anhänger terrorisierten öffentlich unverschleierte Frauen, ohne, daß
dies von den Linken thematisiert wurde.
Nicht sehr positiv ist Hoekmanns Ausblick. Die PLO
als Front nahezu aller palästinensischer Organisationen ist klinisch tot. Die
Entscheidungsgewalt liegt nun bei der Autonomiebehörde, auf die die Diaspora
keinerlei Einfluß hat. PFLP und DFLP haben durch den Zusammenbruch des Realsozialismus an Ansehen verloren. Während
die al-Fatah im bürokratischen Filz der Autonomiebehörde erstarrt und die
Linken sich noch im Selbstfindungsprozeß befinden, gewinnen die islamistischen
Gruppen an Zulauf.
„Die Aufgaben einer linken Opposition inner- oder
außerhalb des Parlaments wären, für eine laizistische Gesellschaft und
Frauenrechte einzutreten, den PalästinenserInnen in der Diaspora eine Stimme
zugeben, Korruption, Verschwendung und autoritäre Strukturen in den
Autonomiegebieten zu bekämpfen und Menschenrechtsverletzungen anzuprangern“,
gibt Hoekmann der palästinensischen Linken mit auf den Weg.
Nick Brauns
Gerrit Hoekmann: Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow –
Geschichte und Politik der palästinensischen Linken.
UNRAST-Verlag Münster 1999. ISBN 3-928300-88-1. DM
26,-