Junge Welt 26.03.2007 / Thema / Seite 10

 

Wer die Jugend hat, hat die Armee

Vor 100 Jahren erschien Karl Liebknechts Schrift »Militarismus und Antimilitarismus«

Von Nick Brauns

Weil die Abgeordneten der Sozialdemokratie und des katholischen Zentrums sich geweigert hatten, weitere Mittel für den Ausrottungsfeldzug der deutschen »Schutztruppe« gegen die aufständischen Nama in der Kolonie Südwestafrika zu genehmigen, hatte Reichskanzler Bernhard von Bülow Ende 1906 den Reichstag aufgelöst. Dem Regierungslager gelang es, bei den sogenannten Hottentottenwahlen im Januar 1907 zahlreiche bisherige Nichtwähler mit nationalistischen und militaristischen Losungen zu den Wahlurnen zu mobilisieren. Trotz Stimmengewinnen verlor die Sozialdemokratie aufgrund einer undemokratischen Wahlkreiseinteilung 38 von 81 Reichstagsmandaten. Zur Durchsetzung seiner aggressiven Rüstungs- und Kolonialpolitik bildete der Reichskanzler nach der Wahl den »Bülow-Block« aus den konservativen und liberalen Parteien.

Die Wahlen hätten gezeigt, »wie beschämend gering trotz alledem die Widerstandskraft des deutschen Volkes gegenüber den pseudopatriotischen Rattenfängereien jener verächtlichen Geschäftspatrioten ist«, widersprach Karl Liebknecht (1871—1919) vom revolutionären Flügel der Sozialdemokratischen Partei denjenigen Genossen, die als Konsequenz aus der Wahlniederlage reformistische Tagesarbeit statt antikolonialistischer Losungen forderten. Um die Notwendigkeit einer besonderen Propaganda gegen den Militarismus deutlich zu machen, veröffentlichte Liebknecht Ende Februar 1907 im Verlag Leipziger Buchdruckerei seine grundlegende Schrift »Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung«.1

Analysen für die Praxis

Die 126 Seiten starke Broschüre baute auf einem Referat zum Thema »Militarismus und Jugendbewegung« auf, das Liebknecht auf der Generalversammlung des »Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen« am 30. September 1906 in Mannheim gehalten hatte. Das Buch wurde laut Liebknechts eigener Aussage von Anfang Oktober bis Ende November zumeist nachts und in der Eisenbahn geschrieben, da er tagsüber seiner Arbeit als Rechtsanwalt nachgehen mußte und die Abende mit Parteiarbeit ausgefüllt waren. Daß die Broschüre überhaupt und so schnell gedruckt wurde, war Julius Motteler zu verdanken, einem alten Freund der Familie Liebknecht noch aus den Zeiten des Bismarckschen Sozialistengesetzes, der dem Vorstand der Leipziger Buchdruckerei Aktiengesellschaft angehörte.

Die Broschüre behandelt drei große Themenkreise: Auf eine allgemeine Erörterung des Wesens und der Funktion des Militarismus in der Klassengesellschaft folgt eine konkrete Untersuchung des inneren und äußeren Militarismus in verschiedenen Ländern. Anschließend stellt Liebknecht die antimilitaristische Arbeit vor allem der sozialistischen Jugendorganisationen in Europa vor, um schließlich Fragen der konkreten antimilitaristischen Taktik für die deutsche Sozialdemokratie zu behandeln.

»Die sozialdemokratische Frage ist eine militärische« — diese Feststellung Bismarcks bildet den Ausgangspunkt von Liebknechts Überlegungen. »Was nun, wenn sich diese Truppen einmal weigern, auf ihre Väter und Brüder zu schießen, wie es der Kaiser verlangt hat?«, hatte der ehemalige Reichskanzler die Achillesferse der Wehrpflichtarmee im Kapitalismus, in der auch immer mehr Sozialdemokraten dienten, erkannt. Liebknecht sah hier den »Keim der Selbstvernichtung im Militarismus«: »Als ›Hofhund des Kapitals‹ braucht der Soldat keine Selbständigkeit, ja er darf sie nicht einmal haben, soll seine Selbstmörderqualifikation nicht vernichtet werden. Kurzum, der Krieg gegen den äußeren Feind erfordert Männer, der Krieg gegen den inneren Feind Sklaven, Maschinen: Wenn aber der Krieg gegen den inneren Feind im Falle einer bewaffneten Revolution militärisch-technisch so hohe Anforderungen stellt, daß aufgeputzte Sklaven und Maschinen zu ihrer Bekämpfung nicht mehr ausreichen, dann hat gleichfalls das letzte Stündlein der gewaltsamen Minderheitenherrschaft, der kapitalistischen Oligarchie, geschlagen.«

Kolonialverbrechen

Bei seiner Untersuchung des Militarismus nach außen geht Liebknecht von der äußerst aktuellen Erkenntnis aus, daß die Gefahr eines aufgrund innereuropäischer Widersprüche ausbrechenden Krieges weitgehend gebannt sei, während »jedoch neue, höchst gefährliche Reibungsflächen ... infolge der von den sogenannten Kulturstaaten verfolgten kommerziellen und politischen Expansionsbestrebungen« entstanden seien, »die uns auch die orientalische Frage und den Panislamismus in erster Linie beschert haben«.

Wer denkt nicht an die heutigen Söldnertruppen im Irak oder Afghanistan, wenn es heißt: »Die Kolonialarmee, die sich vielfach aus dem Abhub der europäischen Bevölkerung zusammensetzt, ist das bestialischste, abscheulichste aller Werkzeuge unserer kapitalistischen Staaten.« Es gäbe kaum ein Verbrechen, das der Kolonialmilitarismus und der in ihm geradezu gezüchtete Tropenkoller nicht begangen hätte, geißelt Liebknecht eine Kolonialpolitik, »die unter der Vorspiegelung, Christentum und Zivilisation zu verbreiten oder die nationale Ehre zu wahren, zum Profit der kapitalistischen Kolonialinteressen mit frommem Augenaufschlag wuchert und betrügt, Wehrlose mordet und notzüchtigt, den Besitz Wehrloser sengt und brennt, Hab und Gut Wehrloser raubt und plündert, Christentum und Zivilisation höhnt und schändet.«

Innere Militarisierung

Als eine stets »notwendige Begleiterscheinung der kapitalistischen Entwicklung« zum Schutze der herrschenden Gesellschaftsordnung zeige sich der Militarismus im Inneren »als ein reines Werkzeug des Klassenkampfes, als Werkzeug in den Händen der herrschenden Klassen, dazu bestimmt, im Verein mit Polizei und Justiz, Schule und Kirche die Entwicklung des Klassenbewußtseins zu hemmen und darüber hinaus einer Minderheit, koste es, was es wolle, selbst gegen den aufgeklärten Willen der Mehrheit des Volkes die Herrschaft im Staat und die Ausbeutungsfreiheit zu sichern.« Zu diesem Ziel umklammert der Militarismus die ganze Gesellschaft durch ein Netz militaristischer und halbmilitaristischer Einrichtungen. »Der Militarismus ist neben der katholischen Kirche der höchste Machiavellismus der Weltgeschichte und der machiavellistischste unter allen Machiavellismen des Kapitalismus.«

Zuckerbrot und Peitsche, Drill und Kasernierung, Militärstrafrecht und Soldatenmißhandlung, aber auch »bunte Flitter« und »Uniformen nach Art der Fastnachtskostüme«, Militärmusik und besonderer Ehrenschutz des Soldatenstandes dienen dazu, »Menschen zu zähmen, wie man Tiere zähmt. So werden die Rekruten narkotisiert, verwirrt, geschmeichelt, gekauft, gedrückt, eingesperrt, geschliffen und geprügelt; so wird Körnlein um Körnlein zum Mörtel für den gewaltigen Bau der Armee zusammengemischt und geknetet, so wird Stein für Stein wohlberechnet zum Bollwerk gegen den Umsturz gefügt.«

Die Beseitigung oder Schwächung des inneren Militarismus war für Liebknecht »eine Lebensfrage für den politischen Emanzipationskampf, ... eine Lebensfrage um so mehr, als die Überlegenheit der Armee über das Volk ohne Waffen, über das Proletariat, infolge der hochentwickelten Technik und Strategie, infolge der Riesenhaftigkeit der Armeen, infolge der ungünstigen lokalen Gliederung der Klassen und bei dem für das Proletariat besonders ungünstigen wirtschaftlichen Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie eine weit größere ist als je, und schon darum wird jede künftige proletarische Revolution bei weitem schwieriger sein als jede bisherige Revolution«.

Gegen den Anarchismus

Deutlich setzt sich Liebknecht vom Antimilitarismus der Anarchisten ab, der sich zu der Zeit unter der sozialistischen Jugend einiger europäischer Länder größerer Beliebtheit erfreute. Ein »antipatriotischer Antimilitarismus« habe in Deutschland keinen Boden. Statt dessen müsse die deutsche Sozialdemokratie ihre Propaganda mit der internationalen Solidarität der Arbeiterschaft und des Völkerfriedens als Zielen des proletarischen Befreiungskampfes durchtränken. »Der sozialdemokratische Antimilitarismus führt den Kampf gegen den Militarismus als gegen eine Funktion des Kapitalismus, in Erkenntnis und unter Anwendung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsgesetze. Der Anarchismus betrachtet den Militarismus mehr als etwas Selbständiges, willkürlich-zufällig von den herrschenden Klassen Hervorgebrachtes und führt den Kampf gegen ihn, wie überhaupt den Kampf gegen Kapitalismus, von einem phantastisch-ideologischen Standpunkte aus, der die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsgesetze verkennt und, an der Oberfläche haftend, durch eine in der Luft schwebende Aufreizung der individuellen Entschließung, kurzum, auf individualistischem Wege den Militarismus aus dem Sattel zu heben sucht.«

Während Anarchisten in pathetischen Deklarationen zur individuellen Kriegsdienstverweigerung oder zum Militärstreik aufriefen, sei die sozialdemokratische antimilitaristische Propaganda Klassenkampfpropaganda. Sie »klärt auf, um zu gewinnen, aber sie klärt nicht auf über kategorische Imperative, humanitäre Gesichtspunkte, ethische Postulate von Freiheit und Gerechtigkeit, sondern über den Klassenkampf, die Interessen des Proletariats in dem Klassenkampf, die Rolle des Militarismus im Klassenkampf und die Rolle, die das Proletariat im Klassenkampf spielt und zu spielen hat. Sie folgert die Aufgaben des Proletariats gegenüber dem Militarismus aus den Klassenkampfinteressen des Proletariats«, denn »wir sind Antimilitaristen als Antikapitalisten«.

Die Ablehnung jedes Militärbudgets durch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion war für Liebknecht eine Selbstverständlichkeit, schließlich galt vorerst noch das Bebel-Wort: »Diesem System keinen Mann und keinen Groschen.« Es sei nicht Aufgabe des sozialdemokratischen Antimilitarismus, zum militärischen Ungehorsam aufzurufen, sondern unter den aus der Arbeiterklasse stammenden Soldaten Klarheit über das Wesen und die Rolle des Militarismus im Klassenkampf zu schaffen. Deren materielle und soziale Interessen gelte es in der sozialdemokratischen Presse- und Reichstagsfraktion zu vertreten und Soldatenmißhandlungen öffentlich anzuprangern. Um die zukünftigen Soldaten schon vor der Musterung gegen den Kasernenhofgeist zu impfen, müßten die Arbeiterjugendorganisationen die Hauptträger der antimilitaristischen Propaganda sein, denn: »Wer die Jugend hat, der hat die Armee«.

Anklage wegen Hochverrats

Während die sozialistische Jugend Liebknechts Schrift mit Zustimmung aufnahm, trafen seine Thesen bei der Parteirechten und der Parteiführung auf vehemente Ablehnung. »Daß mein ›Antimilitarismus‹ gewissen Leuten unangenehm ist«, schrieb Liebknecht am 25. März im Vorwärts, »weiß ich nicht erst seit gestern.« Mit den Angriffen auf seine Schrift solle der »orthodoxe Marxismus« insgesamt getroffen werden. »Genosse Leuthner hat weder mich noch auch gar den Marxismus totgeschlagen«, höhne Liebknecht über einen Rezensenten, »er prügelt nur, ohne es freilich zu merken, auf seinem eigenen phantastischen Verhalten herum.«

Auch der Parteivorsitzende August Bebel (1840—1913) lehnte die von Liebknecht geforderte besondere antimilitaristische Propaganda unter der Arbeiterjugend ab. Einerseits wollte er eine Ablenkung vom Kampf gegen den Kapitalismus als Ganzes verhindern und hatte sich aus diesem Grund bereits auf dem Parteitag 1906 gegen Liebknechts Forderung nach einem Ausschuß für antimilitaristische Propaganda gewandt. Andererseits befürchtete Bebel, daß der gezielte Kampf gegen den Militarismus staatliche Repressalien provozieren würde. Diese ließen tatsächlich nicht lange auf sich warten.

Am 17. April 1907 beantragte der preußische Kriegsminister Karl von Einem beim Oberreichsanwalt Liebknechts Bestrafung wegen Hochverrats. Die Anschuldigung bezog sich insbesondere auf eine durch den Kriegsminister verdreht dargestellte Textstelle, in der Liebknecht fragte, wann ein Krieg eine revolutionäre Erhebung auslösen könne. »Hiernach unterliegt es keinem Zweifel«, so von Einem, »daß der Verfasser eine bestimmte hochverräterische Haltung im Sinne des § 81 Ziffer 2 StGB beabsichtigt, wenn er durch Anzettelung eines Angriffes Frankreichs auf Deutschland und die davon erwartete Revolutionierung der Massen, mithin unter Anwendung von Gewalt (...), den Sturz der Reichsverfassung oder wenigstens eines wesentlichen Bestandteils derselben, die Vernichtung oder gänzliche Lahmlegung der auf der allgemeinen Wehrpflicht und dem unbedingten Oberfehl des Kaisers beruhenden Organisation des Heeres herbeiführen will«.

Das Amtsgericht Leipzig ließ am 24. April auf Antrag des Oberreichsanwalts alle Exemplare der Broschüre und die zu ihrer Herstellung notwendigen Druckplatten und Formen beschlagnahmen, soweit sich diese im Besitz Liebknechts, des Druckers, Verlegers oder eines Buchhändlers befinden oder öffentlich angeboten wurden. Doch die meisten der 5000 gedruckten Exemplare waren offensichtlich bereits verkauft. Bei der Verlagsbuchhandlung der sozialdemokratischen Leipziger Volkszeitung fanden sich laut einem Bericht des Vorwärts lediglich 18 Restexemplare. Bis November 1907, als schon eine Zweitauflage in der sicheren Schweiz in Vorbereitung war, stellte die Polizei gerade einmal 68 Exemplare sicher.

Meinung einer Einzelperson

Um der Regierung keinen Vorwand für eine verschärfte Verfolgung der Sozialdemokratie zu bieten, distanzierte sich Bebel von Liebknecht und erklärte am Tag des Beschlagnahmungsbescheids nach einer provozierenden Rede des preußischen Kriegsministers, die Reichstagsfraktion weise jede Verantwortung für die Äußerungen Dritter von sich. Der neu in den Reichstag gewählte Gustav Noske (1868—1946) legte am folgenden Tag mit seiner von der Fraktion ausdrücklich gebilligten Rede zum Militäretat einen schärferen Gang ein. Liebknechts Schrift stelle lediglich die Meinung einer »Einzelperson« und nicht die der Gesamtpartei dar, erklärte Noske, der im Januar 1919 als selbsternannter »Bluthund« für die bestialische Ermordung Liebknechts und Rosa Luxemburgs (1871-1919) durch rechtsextreme Freikorpsmänner verantwortlich sein sollte. Zwar forderte Noske von der Regierung eine »ehrliche, rückhaltlose Friedenspolitik«, doch gleichzeitig behauptete er eine angebliche Übereinstimmung der sozialdemokratischen Haltung zur Vaterlandsverteidigung mit derjenigen des Kriegsministers: »Wir wünschen, daß Deutschland möglichst wehrhaft ist, wir wünschen, daß das ganze deutsche Volk an den militärischen Einrichtungen, die zur Verteidigung unseres Vaterlandes notwendig sind, ein Interesse hat.« Dies sei nur zu erreichen, wenn sich die Reichsregierung zusammen mit der Sozialdemokratie bemühe, »Deutschland für das ganze Volk so wohnlich, so freiheitlich und so kulturell hochstehend« zu machen, wie es einigermaßen denkbar sei. Laut stenographischem Protokoll wurde Noskes Rede mit lebhaftem Beifall der sozialdemokratischen Fraktion bedacht. Das Gift des Patriotismus, das die Mehrheit der Sozialdemokratie zu Beginn des Ersten Weltkrieges an die Seite der kaiserlichen Regierung führen sollte, hatte Teile der Partei bereits 1907 infiziert.

Trotz des drohenden Hochverratsverfahrens und der Entsolidarisierung in der eigenen Partei hielt Liebknecht an seiner antimilitaristischen Agitation fest. Als er am 27. April in Leipzig einen Vortrag über Militarismus und Antimilitarismus halten wollte, ließ der mit der Überwachung betraute Polizeibeamte allerdings die Versammlung des sozialdemokratischen Reichstagswahlvereins auflösen.

Am 2. Mai veröffentlichte die Dortmunder Arbeiter-Zeitung einen Artikel, der sich mit Liebknecht solidarisierte. Die »durch nichts motivierte Abschüttelung des Genossen Liebknecht durch die Fraktion« habe unter den Genossen im Lande und besonders im Ruhrgebiet den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht. Die Partei wurde aufgefordert, nicht zu lavieren und keine Schwäche zu zeigen, denn der Schaden könne tausendfach schlimmer ausfallen, als der Verlust von ein paar Dutzend Abgeordnetenmandaten. »Mag deshalb die Fraktion Liebknecht abgeschüttelt haben — die Partei denkt nicht daran, das gleiche zu tun! Das muß offen ausgesprochen werden — die Pflicht wollte es!«

Oberreichsanwalt Olshausen hatte die Anklageschrift wegen Hochverrats gegen Liebknecht am 16. Juli fertiggestellt. Er ließ sich dabei direkt vom Schreiben des preußischen Kriegsministers leiten und übernahm den absurden Vorwurf, Liebknecht arbeite auf einen deutsch-französischen Krieg hin. »Diese Anklage ist für mich und den Antimilitarismus ... politisch ein wahres Gottesgeschenk«, triumphierte der Angeklagte. Tatsächlich stand die Frage des Antimilitarismus während des Jahres 1907 im Mittelpunkt der Beratungen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der sozialistischen Jugendverbände und der Internationale.

Ausgelöst durch Liebknechts Schrift setzte ein Klärungsprozeß ein, der bereits die Fronten des Kriegsjahres 1914 zwischen einem konsequenten Antimilitarismus auf der Linken, einem ängstlich schwankenden pazifistischen Zentrum und den patriotischen Vaterlandsverteidigern innerhalb der Sozialdemokratie vorwegnahm.



1 Nachdruck u.a. in: Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 1, Berlin/DDR, Dietz-Verlag 1958, S. 247—456