Neues
Deutschland 21. September 2019
Internationalismus auf der Anklagebank
Die Repression gegen
die Kurdistan-Solidarität zielt auf die radikale Linke
Von Nick Brauns
Wer sich in Deutschland solidarisch mit dem kurdischen
Freiheitskampf zeigt, kann sich schnell vor Gericht wiederfinden. Insbesondere
in Bayern gibt es derzeit eine Welle von Ermittlungsverfahren und Anklagen
wegen Symbolen der syrisch-kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten
YPG/YPJ. Ein besonderes Exempel soll hier offensichtlich am
Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger statuiert werden. Der
bekennende Kommunist wird von der Münchner Staatsanwaltschaft angeklagt, in
zehn Fällen auf Demonstrationen YPG und YPJ-Fahnen gezeigt oder auf Facebook Zeitungsartikel mit entsprechenden Bildern geteilt
zu haben. Mit dem Konstrukt, die Arbeiterpartei Kurdistans PKK habe diese nicht
verbotenen Symbole »usurpiert«, sieht die Staatsanwaltschaft darin Verstöße
gegen das PKK-Verbot.
Zwar beklagt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan regelmäßig, die PKK könne Deutschland als
ruhiges Hinterland nutzen. Es wäre aber zu kurz gegriffen, die verschärfte
Kriminalisierung der Kurdistan-Solidarität nur als einen den deutschen
Wirtschaftsinteressen in der Türkei geschuldeten Bückling der Bundesregierung
vor dem Autokraten aus Ankara zu sehen.
Das wird deutlich durch einen Blick in die
Veröffentlichungen des Verfassungsschutzes. »Die Kurdistan-Solidarität als
klassisches Agitationsfeld deutscher Linksextremisten war auch im Jahr 2018 ein
Vernetzungs- und Mobilisierungsschwerpunkt«, heißt es etwa in dem
Bundesbericht. Und eine im Februar 2019 erschienene Verfassungsschutzbroschüre
beklagt »Wechselwirkungen und ideologische Gemeinsamkeiten« zwischen der PKK
und der radikalen Linken. Dies sei einem »internationalistischen
Selbstverständnis deutscher Linksextremisten« geschuldet, »die sich als
Unterstützer revolutionärer Bewegungen in anderen Teilen der Welt sehen«. Die
Zusammenarbeit begründe sich »durch den sozialistischen Internationalismusgedanken«,
steht dort geschrieben. Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Geheimdienst die
seit 2010 bestehende Kampagne »TATORT Kurdistan«. Deren Ziel ist es, die
Beteiligung des deutschen Staates und der deutschen Wirtschaft am Krieg in
Kurdistan aufzuzeigen. Thematisiert werden etwa deutsche Waffenlieferungen an die
türkische Armee sowie das PKK-Verbot.
Vielen deutschen Linken, die solidarisch an der Seite
der demokratischen Revolution in Rojava/Nordsyrien
stehen, geht es eben nicht um Guerillaromantik und die orientalistische
Projektion »antiimperialistischer Sehnsüchte« auf das »wilde Kurdistan«, wie
ihnen kürzlich in einer »taz«-Kolumne unterstellt wurde. Vielmehr lassen sie
sich von der kurdischen Freiheitsbewegung, die engstirnige nationalistische
Ziele zugunsten universeller libertär-sozialistischer und feministischer
Vorstellungen hinter sich gelassen hat, inspirieren, um entsprechend dem Diktum
Karl Liebknechts den Kampf gegen den »Hauptfeind im eigenen Land«, den
deutschen Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche
Geheimdiplomatie aufzunehmen.
Auch wenn es vorerst symbolische Blockaden von
Panzerschmieden wie Rheinmetall sind, befürchten deutsche Sicherheitsbehörden,
dass die Kurdistan-Solidarität als »Vernetzungs- und Mobilisierungsschwerpunkt«
der radikalen Linken dazu beitragen könnte, die Verhältnisse hierzulande ins
Wanken zu bringen. Ganz so, wie die im Oktober 1998 von der türkischen Armee
ermordete Internationalistin Andrea Wolf es sich in einem Grußwort aus den
Bergen Kurdistans gewünscht hatte: »dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe,
die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub
kappen … Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.«